nayphimsex

Leben

Unter Juden in den USA gibt es einen ausgeprägten Trend zum Buddhismus. Doch sie kehren dem Judentum nicht den Rücken, sondern kombinieren beides.

So unterschiedlich Musiker wie der Komponist Philip Glass, der Sänger Leonard Cohen oder der Rapper MCA von den Beastie Boys sind, sie haben etwas gemeinsam: Alle drei stammen aus jüdischen Familien und wurden im Laufe ihres Lebens auch Buddhisten. Die Liste an jüdisch-buddhistischen Promis ließe sich noch weiter fortsetzen: etwa mit Hollywood-Größen wie Goldie Hawn oder Robert Downey jr. Und wie es in den USA bei neuen Dingen oft passiert, ist ein eigener Name entstanden. Ein Kunstwort – ein Mix aus den Wörtern „Jew“ und „Buddhist“. Daraus wird dann „JewBu“.

Die Autorin und Meditationslehrerin Yael Shy benutzt den Begriff JewBu selbst zwar nicht, aber es stimme schon: Sie sei jüdisch und Buddhistin. Yael Shy arbeitet an der New York University und kümmert sich dort unter anderem um interreligiöse Beziehungen.

„Das Judentum ist nach wie vor wichtig für mich.“

Außerdem koordiniert Yael Shy Angebote zu Yoga, Achtsamkeit und Meditation: „Meine Mutter ist Rabbinerin, und wir sind sehr religiös aufgewachsen. Ich habe das Judentum auch nie verlassen, sondern es ist für mich nach wie vor sehr wichtig. Aber als ich auf dem College war, hatte ich große Probleme: Ängste und Panikattacken. Eine Sinnkrise, und dann ließen sich auch noch meine Eltern scheiden. Alles auf einmal. Ich ging in ein Schweige-Retreat – ein jüdischer Meditationskurs, aber vom Buddhismus inspiriert. Das war damals noch sehr selten. Und das hat mir sehr geholfen. So kam ich zur Meditation, und nach einigen Jahren entdeckte ich auch den Buddhismus für mich – seine Texte, seine Schönheit und Tiefgründigkeit.“

Was gibt dem Leben Bedeutung?

So wurde Yael Shy nach und nach zu einer jüdischen Buddhistin – oder zu einer buddhistischen Jüdin. „Judentum und Buddhismus treffen sich in der Frage, worum es im Leben wirklich geht. Mich persönlich interessiert besonders die Verbindung von Achtsamkeit und Meditation aus den beiden Traditionen. Sie sind nicht identisch, aber beide wollen zur Wurzel dessen vordringen, was dem Leben Bedeutung gibt. Beide bieten Praktiken an, die dir bei dieser Frage helfen können.“

USA

„Judentum und Buddhismus haben sie geprägt.“

Der Begriff „JewBu“ kam in den USA in den 1990er-Jahren auf. Und der jüdisch-buddhistische Austausch wurde auch wissenschaftlich untersucht. Unter anderem von der Soziologin Emily Sigalow:

„‚JewBu‘ definiere ich so: Das sind Menschen, die eine bedeutsame Beziehung haben zu beidem, Judentum und Buddhismus. Manche dieser Menschen sehen sich in erster Linie als jüdisch an, manche vor allem als buddhistisch. Bei manchen ist es ausgeglichen. Aber für alle gilt: Judentum und Buddhismus haben sie geprägt.“ Die meisten JewBus waren zuerst jüdisch, sagt Emily Sigalow. Nur wenige stammen aus buddhistischen Familien.

Das Interesse an Meditation, Achtsamkeit und dem Buddhismus im Allgemeinen, das gibt es natürlich nicht nur im Judentum, sondern überall im Westen, auch unter Christen, Muslimen oder Agnostikern.

„Vom Buddhismus fühlen sie sich nicht bedroht.“

Doch für Jüdinnen und Juden in den USA gilt: Ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt ungefähr zwei Prozent. Aber ihr Anteil in buddhistischen Zentren und Gemeinden ist deutlich höher – auch wenn es dazu keine genauen Statistiken gibt.

Emily Sigalow hat keine abschließende Erklärung für den jüdischen Trend zum Buddhismus – aber einige Ansatzpunkte: „Juden und Buddhisten leben in den USA in den gleichen Gegenden, nämlich vor allem in Großstädten. Da gibt es also Berührungspunkte. Außerdem interessieren sich vor allem gut ausgebildete Säkulare für den Buddhismus – und in dieser Gruppe der US-Gesellschaft sind Jüdinnen und Juden überrepräsentiert. Außerdem teilt das Judentum mit dem Buddhismus nicht so eine problematische Vergangenheit wie zum Beispiel mit dem Christentum. Viele Jüdinnen und Juden sind skeptisch gegenüber dem Christentum, aber vom Buddhismus fühlen sie sich nicht bedroht. Und der Buddhismus wurde oft sehr säkular präsentiert – nicht als Religion, sondern als Meditationsmethode. Deshalb fühlte es sich für viele einfach nur an, als würden sie eine neue Praktik ausprobieren.“


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 120: „Lebendiger Buddhismus"

UW120


„Menschen haben schon immer Ideen ausgetauscht.“

Aus diesem jüdischen Interesse an buddhistischer Meditation sind tatsächlich aber viele doppel-religiöse Identitäten entstanden. So wie bei der New Yorker Meditationslehrerin Yael Shy. Sie will die ganze Sache aber auch nicht zu hoch hängen: „Ich glaube, im Laufe der Geschichte haben Religionen sich schon oft verändert. Und zwar durch die Kulturen, die sie umgeben. Deshalb glaube ich auch nicht, dass es jemals so etwas wie eine ‚reine Religion‘ gegeben hat. Denn Menschen haben schon immer Ideen und Praktiken ausgetauscht.“

Der jüdisch-buddhistische Austausch in den USA hat dort auch das Judentum insgesamt verändert, sagen die beiden Expertinnen. Denn dadurch sei Meditation in jüdischen Gemeinden insgesamt viel populärer geworden – auch unter Jüdinnen und Juden, die sich nicht für den Buddhismus interessieren.

Bild Teaser & Header © Pixabay

Christian Röther

Christian Röther

Dr. Christian Röther ist Religionswissenschaftler und arbeitet als Journalist vor allem zu Themen mit Religionsbezug.
Kommentar schreiben

Gemeinsam machen wir den Unterschied Unterstutze uns jetzt 1