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Die Arbeitsweisen in unserer Gesellschaft verändern sich immer mehr. Und dabei ist vor allem der Faktor Zeit ein wichtiger, den man nicht kaufen kann.

Ich schwimme ja im Jahr der Veränderung, obwohl ich kein Mensch bin, der gerne und leicht auf sich ändernde Umstände reagiert - ursprünglich. Dass man das trainieren kann, weiß ich aus eigener Erfahrung. Und auch, dass das unglaublich erleichternd sein kann, wenn Dinge und Situationen zwar in Stein gemeißelt scheinen, aber man immer noch die Wahl hat, einfach in die andere Richtung zu schauen.

Im nächsten Jahr möchte ich wieder in eine andere Richtung schauen, was bedeutet, dass ich manches loszulassen habe. Doch oft müssen die persönlichen Entscheidungen in ein größeres Ganzes eingebettet werden. Als ich das in der vergangenen Woche getan habe, wurde mir mehr Geld dafür geboten, doch weiterhin in die gewohnte Richtung zu blicken. Jetzt war das natürlich schmeichelhaft, weil das doch eine gewisse Wertschätzung beinhaltete. Mein Punkt aber ist: Wenn ich Zeit für etwas Neues schaffen möchte, kann ich mir keine zusätzlichen acht Stunden pro Tag kaufen. Und ich möchte einfach Zeit für etwas anderes haben. Dass sich der Wunsch eines verlängerten Tages nicht erfüllen wird, ist mir schon länger klar, weshalb ich da gar nicht mehr herummosere.

Heute Morgen habe ich von einer umgekehrten Situation gehört. Offenbar wollte die Deutsche Post die Portokosten erhöhen, was die zuständige Bundesnetzagentur abgelehnt hat. Das soll nun zur Folge haben, dass die Post langsamer arbeitet und sich für die bisherigen Standardbriefe mehr Zeit zum Ausliefern lässt. Frei nach dem Motto: Wir stressen uns für Geld, aber wenn es kein Geld gibt, dann stressen wir uns auch nicht mehr. Das klingt jetzt ein wenig nach Trotzreaktion, und die Causa ist vermutlich noch nicht endgültig ausgestanden. Doch irgendwie hat das mein internes Posthorn blasen lassen.

Zeit

Es ist keine Frage, dass unsere Zeit immer schnelllebiger wird. Und selbst mit der Sturheit eines Stiers komme ich manchmal an den Punkt, wo ich mich selbst antreibe. Wo ich mir mehr Dinge in meinen Tag packe, weil ich glaube, sonst nicht „zurecht“zukommen. Woher kommt eigentlich der Glaube, dass wir mehr aus den 24 Stunden machen könnten, als sie uns von Haus aus anbieten? Als wäre das nicht genug! Wann hat das eigentlich begonnen mit dem olympischen Prinzip im Alltag? Warum muss ich schneller, höher und weiter kommen? Natürlich braucht der Mensch Ziele, und es tut ihm auch gut, sie zu erreichen. Doch warum muss das immer schnell sein?

In meiner Welt hat alles seine eigene Geschwindigkeit, nicht nur Menschen. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, versuche ich es meist maximal dreimal. Dann lasse ich es, weil es mich zu viel Energie kostet, gegen den Widerstand des Universums oder wessen auch immer anzukämpfen. Das Leben ist in meinen Augen eben kein Kampf, sondern eine Einladung, dorthin zu schauen und zu gehen, wo es sich gut anfühlt. Und kein Geld der Welt hält mich in einer Situation, die sich schlechter anfühlt als meine Wunschdestination. Noch weiß ich nicht, ob ich mich dort auch längerfristig wohlfühlen werde, aber wenn ich es nicht versuche, werde ich es nie herausfinden. Und dafür brauche ich Zeit. Wenn die Deutsche Post sich also mehr Zeit lässt, um 14 Millionen Briefe auszuliefern, dann hat das vielleicht zur Folge, dass mehr davon ihren Bestimmungsort erreichen. Im vergangenen Jahr gingen über 43.000 Beschwerden ein, ein Rechtfertigungsgrund waren die hohen Krankenstände. Eh klar, denn wer gestresst ist, unterminiert sein Immunsystem. Insofern ist es wohl eine gute, ja gesunde Entscheidung, die Portogebühren so zu lassen, wie es die Menschen gewohnt sind. Und jeder, der in Zeiten groß geworden ist, in denen Briefe neben Telefonaten die Hauptkommunikationsmedien waren, weiß: Auf einen Liebesbrief zu warten, ist eine bittersüße Angelegenheit. Von dieser Geduld brauchen wir vielleicht mehr in einer Zeit, die von Alarmismus geprägt ist. Doch das ist wieder eine andere Geschichte.

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Bilder © Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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