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Die Erste Noble Wahrheit lautet: Das Leben ist Leiden. Ist das nun eine mangelhafte Übersetzung, ist es Ausdruck eines letztlich doch tiefsitzenden Pessimismus oder gibt es eine Tiefgründigkeit in dieser Aussage, der wir nachgehen sollten?

Mir kommt es so vor, dass an allen drei Positionen etwas Wahres dran ist. Wobei ich mit „wahr“ meine, dass es sich um etwas Bedenkenswertes handelt oder handeln könnte.

Wenn ich lese, dass „Dukkha“ eigentlich „Verdunklung“ bedeutet, dann finde ich Sinn darin. Er macht so deutlich, finde ich, dass etwas, das eigentlich hell ist oder sein könnte, abgedunkelt, vielleicht verborgen ist. Und dann wird dieses eigentlich passende Wort, das einen Daseinszustand beschreibt, mit der Reaktion darauf, nämlich dem Leiden, „übersetzt“? Ich fand das auch inhaltlich immer unbefriedigend, unpräzise. Einmal wird die Welt beschrieben, wie sie ist oder erscheint, und dann geht es um ihre Wirkung auf uns. Oder soll zum Ausdruck gebracht werden, in kürzester Form, dass alles insofern „Leiden“ ist, weil es der Vergänglichkeit unterworfen ist? Auch das will mir nicht recht einleuchten, weil wir es begrüßen, dass unangenehme Geisteszustände vergehen, viele sehnen sogar ihr Ende herbei, also wird auch dieses letzte Zeichen von Unbeständigkeit manchmal begehrt. Viele, die eher in Kreisläufen der Natur denken, vermögen Schönheit in der Vergänglichkeit zu erkennen, sie sehen den Samen im herabfallenden Blatt und den Winter im Sommer. Ein runzliges Gesicht vermag uns stärker zu berühren als die Samthaut eines jungen Mädchens. Was könnte denn nun an der Ersten Edlen Wahrheit dran sein, das wir sie wiederkennen und akzeptieren?

Persönlich spreche ich öfter von „überflüssigem“ Leiden. Schmerzen jedweder Art gibt es, und zwar mehr, als wir uns wünschen, allein Gefühle wie Eifersucht, Neid, Scham und Angst können so quälend sein, dass wir meinen, es nicht mehr auszuhalten, diese innere, diese äußere Spannung. Wenn wir uns Illusionen, Selbsttäuschungen hingegeben haben und ein Vorhaben, eine Beziehung fürchterlich enttäuschend scheiterte. Da Beziehungen sich ständig verändern, sofern wir es zulassen, könnten wir andauernd enttäuscht sein. Wenn wir nicht buddhistisch unterwegs wären und uns sagten: Hier wartet ein weiteres Dharma-Tor auf Dich, meine Liebe.

Leiden

Zum Wort Leiden möchte ich noch sagen, dass Leiden uns Tiefe schenkt und die Möglichkeit zu Reifung, Mut und Charakter. Warum sollen wir es dann eigentlich vermeiden oder überwinden oder transformieren wollen? Wenn wir doch ganz genau wissen, dass schon die Geburt schmerzt wie alle weiteren Lebensübergänge.

„Überflüssiges Leiden“ wäre zum Beispiel, wenn ich zu den Ärmeren dieser Gesellschaft gehöre, aus welchen Gründen auch immer, und mich auch noch dafür schäme. Wenn ich übermäßig Angst habe, dass die Spirale weiter nach unten geht oder dass ich auf jeden Fall abgelehnt werde. Mir haben die buddhistische Übung und Zazen definitiv mehr Neugier an den Prozessen an sich geschenkt, sie zu untersuchen, ohne sie besonders zu hätscheln oder zurückzuweisen. Denn ist es nicht so, dass wir auch und vor allem lernen können, dass wir leidvolle Erfahrungen überhaupt wahrnehmen? Gelten lassen? Und damit ihnen auch Raum verschaffen?

Das Geheimnisvolle und ganz und gar Wunderbare ist dann, dass sich die Dinge verändern, wenn sie Raum und damit Aufmerksamkeit erhalten. So kann manches Leid, genügend betrachtet und erwogen, auch einfach gehen. Schmelzen, sich auflösen. Wir erkennen, dass wir Leid und Schmerz unnötigerweise festhalten, und das nicht, weil wir blöd sind, sondern weil uns niemand aufgezeigt hat, dass es überflüssig ist, nicht mehr nützlich. Mit anderem können wir leben lernen. Friedvoll koexistieren. Wie mit Wesen, die nicht ganz einfach im Umgang sind.

Manches Leid nehmen wir in Kauf, weil es dazu gehört, und freuen uns daran, dass auch dies vergehen wird. Also auch hier: eine positive Unbeständigkeit.
Buddha scheint hingegen auf ein tieferes Leiden hinweisen zu wollen, nämlich dass wir keine Befriedigung auf den uns bekannten Wegen finden werden, jedenfalls keine dauerhafte, dass unser Durst nach Existenz uns immer wieder verstricken lässt.
„Täuschung“ fände ich hierzu das passendere Wort. Es schmerzt einfach zu erkennen, wie leicht und schnell wir (wieder) einer Täuschung erlegen waren, oder schmerzt es uns immer weniger, weil jede Enttäuschung ja ein weiteres Dharma-Tor ist?

Ich glaube, Letzteres ist wahr. Buddha ist einfach ein großartiger Lehrer, und die Reibung an Worten und Begriffen zusammen mit ausdauernder Übung lässt uns die Erkenntnisse zuwachsen, die nur in Stille reifen können. Nichts also enthebt uns der Übung.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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