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Mir fällt auf, dass ich in letzter Zeit wenig über Scheitern gesprochen habe, am meisten noch mit meiner Schwester. Dabei weiß ich doch, wie entlastend und verbindend das Teilen ist.

Heute wurde mir klar, dass das Eingeständnis, gescheitert zu sein, Schamgefühle auslöst. Und diese können so belastend sein, dass wir sie vor uns selber verbergen müssen. Anders gesagt, es braucht manchmal seine Zeit, um Scheitern, das mit Fehleinschätzungen zu tun hat, mit Selbstüber- oder -unterschätzungen aller Arten, mit Unflexibilität usw. als solches zu erleben und zu deklarieren. Als ich also heute realisierte, in einem wichtigen Vorhaben gescheitert zu sein – auf die Nase gefallen, würde man bei Kindern sagen –, war ich erst kurz schockiert, dann sofort erleichtert. Meistens scheint es doch so zu sein, dass sich Projekte, die nicht (mehr) stimmig sind, irgendwie anstrengend anfühlen. Ich meine hier nicht die Anstrengung, die jedes anspruchsvolle Vorhaben begleitet, sondern die Anstrengung, sich an irgendetwas anzupassen, was man gar nicht so genau versteht. Vielleicht lag das Gescheitertsein schon länger auf der Hand, man konnte es sich nur noch nicht eingestehen, es war unfassbar, der Vorfall undenkbar. Die Entwicklung unvorstellbar, nicht vorhersehbar. Man könnte also entlastet sein, schon längst, aber: Man war eben noch nicht offen für eine schonungslose Bilanz.

Seit einiger Zeit ist der Begriff „schöner scheitern“ in Mode gekommen. Bücher, Vorträge, Artikel mit diesem Titel haben wir gesehen. Ich spüre deutlichen Widerspruch, Widerstand. Da soll und etwas schöngeredet werden. Vielleicht, um den Verlust von Arbeitsplätzen, von Moral und Anstand, von Mobilität und Möglichkeiten in der Pandemie, von den Schmerzen und Ängsten über die Inflation erträglich zu machen? Wir müssen und dürfen uns nicht belügen über die Schwere von Verlusten! Dass wir Zeit brauchen, um sie zu verarbeiten, spricht nicht gegen schonungslose, dabei barmherzige Offenheit und Ehrlichkeit. Mit dem Scheitern ist es ähnlich. Wir drohen, unsere Selbstachtung zu verlieren, einzubüßen, jedenfalls so lange, wie wir vom Erfolg irgendeiner Handlung, eines längeren Vorhabens abhängig sind. Ich weiß genau, WIE abhängig ich war, übrigens, ohne es genau zu bemerken.

Scheitern
Ich würde jetzt gerne auf den Wert des Meditierens zurückkommen. Im Zen wird davon gesprochen, dass es an sich völlig nutzlos sei. Ich kann das so nicht bestätigen, denn dann würde ich die Übung sein lassen. Mir fließen manchmal Erkenntnisse, Einsichten zu, wie etwas weitergehen oder nicht mehr weitergehen kann, die erstaunlich klar sind, und die Kraft für die notwendigen Entscheidungen ist dann auch da. Ich werde sensibler für Halbwahrheiten, Ungenauigkeiten, die von mir aus ausgehen, vielleicht auch von anderen, aber mich kann ich ändern. Erstaunliche Schmerzen melden sich, bis die Sache eingesehen oder korrigiert ist. Bevor ich also sagen kann, erst zu mir, dann zu anderen, ich bin gescheitert, ist es einfach die Hölle. Wir haben uns und damit anderen etwas vorgemacht, ohne es zu beabsichtigen. Wie oberpeinlich. Scheitern kann niemals schön oder schöner sein und werden. Vielleicht können WIR im Scheitern schöner werden, wenn wir an dem beschriebenen Punkt angelangt sind.

Da das zweite Gelübde unserer Zen-Tradition heißt: Irrtümer/Illusionen sind unerschöpflich, möge ich sie umwandeln/aufgeben/beenden …, dachte ich heute, also müssen wir jedes Mal durch dieses Tal des Scheiterns schreiten, wenn wir wieder einmal, wie es anscheinend zu unserer menschlichen Kondition gehört, einer Illusion aufgesessen waren. Vielleicht können wir vom Kriechen zum Schreiten gelangen. Doch ein Schreiten, dem man das Kriechen nicht ansieht, ist nicht glaubwürdig. Die frische Erkenntnis, gescheitert zu sein, kann, je nach Ausmaß des Projekts, unglaublich schmerzhaft sein. Der Gewinn, klare Sicht und erneuerte Integrität, ist allerdings bemerkenswert. Meditation auf den Atem kann uns beim Reiten dieser zeitweise hohen Wellen große Dienste erweisen. „Der schöne Atem“ heißt es denn auch in der Tradition, die Ajan Brahm, der wunderbar humorvolle Autor nicht nur kleiner Bücher, lebt und beschreibt.

Weitere Beiträge von Monika Winkelmann finden Sie hier.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
Kommentare  
# Andrea Holt 2021-12-28 13:43
Was genau soll Scheitern eigentlich sein? Das Nicht-Durchhalten von Etwas, hinter dem man anscheinend (aus welchen Gründen auch immer) dann doch nicht richtig gestanden hat, ist doch absolut verständlich. Abgesehen davon steckt ja sehr oft auch Gott dahinter, wenn ein Plan nicht gelingt...."Wenn du die Götter zum Lachen bringen willst.... erzähle ihnen deine Pläne"....
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